Mit dem Fuß im Jenseits – wissenschaftliche Erkenntnisse zu den so genannten Nahtoderlebnissen.

Die euphorischen Gefühle, die so viele Menschen auf der Welt in dem Moment erleben, in dem sie dem Tod sehr nahe sind, sind eine Folge von Abwehrreaktionen von Psyche und Körper. Zu diesem Schluss kamen Forscher und Wissenschaftler, nachdem sie sich mit diesem Phänomen intensiv auseinander setzten.
Immer wieder gibt es solche oder ähnliche Berichte: „Mit großer Freude sah ich mich nach meinem Herzinfarkt körperlos an der Decke der Intensivstation entlang schweben, meinen eigenen Leib aber sterbend im Krankenbett. Dann schwebte ich durch einen Tunnel auf eine winkende Lichtgestalt zu.“ Solche Berichte haben schon viele so genannte „klinisch Tote“ gegeben und Dr. Raymond Moody hat diese Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod in mehreren Büchern gesammelt.
Seitdem streiten sich selbst ernannte und anerkannte Experten über Wesen und Ursachen der seltsamen Totenbettvisionen. Für die Parapsychologen – wie Dr. Moody -, die unter den Sterbeforschern sehr stark vertreten sind, haben die durch ärztliche Bemühungen ins Leben zurück gerufene Patienten einen Blick ins Reich des Übersinnlichen geworfen. Naturwissenschaftlich orientierte Fachleute hingegen halten die beobachteten Sterbephänomene für eine Fluchtreaktion der Psyche.
Die bislang schlüssigste Erklärung kommt aus Amerika von dem Psychologen Dr. Ronald Siegel: „Bei den Sterbeerlebnissen handelt es sich ausschließlich um Halluzinationen.“ So lautet das Fazit seiner Untersuchungen.
Der traumartige Zustand der Sterbenden wird, wie auch weitere Forschungen vermuten lassen, hauptsächlich durch zwei Faktoren ausgelöst:
Eine psychische Schutzschaltung des Gehirns verhindert, dass der Sterbende seine Lage als lebensbedrohlich empfindet, das Bewusstsein fällt also ebenfalls in Ohnmacht und flieht aus der grausamen Realität ins Traumland.
Außerdem rufen die so genannten Endorphine – körpereigene Halluzinogene – die so oft beschriebenen euphorischen Gefühle hervor.
Die Forscher waren zunächst immer wieder erstaunt, wie ähnlich sich die unterschiedlichen Bereichte aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten waren. Immer wieder erzählten die wiederbelebten Patienten, wie sie sich während des Sterbens durch eine finstere Röhre auf einen gleißenden Lichtpunkt zu bewegt hätten.
Viele empfinden ihren Körper al gewichtslos und durchsichtig und haben das Empfinden, mit ihm zu schweben. Währenddessen empfinden sie eine noch nie zuvor verspürte Freude und Liebe. Für Raymund R. Moody war die Sache schnell geklärt: Die Sterbenden hätten einen Schritt ins Jenseits gemacht und von dort einen Exklusivbericht erstattet. Andere Forscher terminieren das Erlebte auf den Zeitpunkt, an dem sich der Astralleib vom Körper trennt. Immer vorausgesetzt, es gibt einen solchen. Auch die mittlerweile verstorbene Pionier-Forscherin bei der Sterbebegleitung, Frau Professorin Elisabeth Kübler-Ross, die in den sechziger Jahren des letzten Jahrtausends den sehr empfehlenswerten Bestseller „Interviews mit Sterbenden“ schrieb, nahm in den letzten Lebensjahren die Nahtod-Berichte wörtlich. Allerdings musste auch sie eingestehen, dass keiner dieser Menschen wirklich tot war. Sie waren vielmehr klinisch tot – eine Bezeichnung der Mediziner für einen Zusatnd, in dem zwar Herzschlag, Kreislauf und Atmung still stehen, die Gehirnzellen jedoch noch nicht durch Sauerstoffmangel irreparabel geschädigt sind. Nach erfolgreicher Reanimation – Wiederbelebung, nicht Neubelebung – erwachen die Patienten ohne nachhaltige körperliche Schädigung.
Die phantastischen Schilderungen vieler Sterbender erinnert die Psychologen ganz deutlich an Halluzinationen, wie sie die Konsumenten von Psychodrogen erleben. Nachdem die Berichte der Sterbenden mit denen von Trip-Beschreibungen zahlreicher LSD-Schlucker verglichen wurden, stellten die Wissenschaftler fest: „Die Aussagen decken sich bis aufs Wort.“
Die Forscher unterteilen demnach die Schilderungen der Nah-Tod-Erlebnisse in
einfache Visionen, wie etwa das Licht-Tunnel-Syndrom und in
komplexe Visionen, wie Traumbegegnungen mit toten Verwandten oder die Loslösung vom eigenen Körper (extra-corporale Erlebnisse).

Für die Einfach-Visionen fanden die Forscher eine Erklärung, die auch Hirnexperten für einleuchtend halten: Auf extreme Ausnahmezustände reagiert das Gehirn mit einem regelrechten Nervengewitter, das dem Sehzentrum eine starke Lichtreizung der Netzhaut vorgaukelt.
Von demselben Stress-Phänomen berichten auch Menschen, die gesund und munter in den Tod gingen: „Ich sah ein strahlendes Licht, dann hatte ich keine Schmerzen mehr.“ Das erzählte John Smith im Jahre 1705, der am Heiligen Abend – noch lebend – vom Galgen geschnitten wurde, nachdem seine Begnadigung bekannt wurde.
Die komplexen Visionen hingegen werden durch eine raffinierte Sicherung im Kopf ausgelöst: Das zentrale Nervensystem schaltet bei Super-Stressbelastung einfach Teile des Gehirns ab. Dabei schiebt sich gleichsam eine Jalousie zwischen Innen- und Außenwelt. Der Sterbende entgleitet in einen Bereich ohne Raum und Zeit, Vergangenheit und Zukunft.
Doch gerade die ständige Flut von Außenreizen sorgt dafür, dass viele (bewusst oder unbewusst) gespeicherte Wahrnehmungen und Erinnerungen unterdrückt werden – Psycho-Hygiene des Gehirns.
Wird aber, wie bei vielen Sterbenden, der Informationsfluss von außen vermindert oder gestoppt, produziert das Gehirn unablässig und ungehindert Bilder aus Vergangenheit und Zukunft – ein Halluzinationsreigen aus Erlebtem und Erlerntem.
Diese wirre Bilderflut aus den Archiven des Gedächtnisses versucht das hochaktive Gehirn des Sterbenden in eine sinnvolle Reihe zu bringen – anhand jener Informationen, die es im Laufe des Lebens zum Thema Tod gespeichert und als wichtig erkannt hat. Deshalb, so vermuten es die Wissenschaftler, seien sich die Berichte auch so ähnlich. So hängt etwa die Beschreibung des Lichtphänomens von der religiösen Prägung des Sterbenden ab. Gläubige Christen lassen keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um Jesus oder einen Engel gehandelt hat. Häufuig erzählen sie, die Lichtgestalt habe sie dazu aufgefordert, ihr Leben zu beurteilen – das Seelen-Gericht, so wie es teilweise immer noch aus der Bibel verstanden wird.
An dieser Selbstverteidigung durch Halluzinationen ist jedoch nicht nur die Psyche beteiligt. Offenbar gibt sich das Gehirn auch noch eine Art Beruhigungspille, indem es bestimmte Eiweißsubstanzen ausschüttet. Diese Endorphine blockieren die Schmerz leitenden Nervenfasern und beeinflussen das Emotionszentrum im Gehirn. Deshalb gilt es als wahrscheinlich, dass die Endorphine den Menschen die Todesangst nehmen und sogar Angst in Euphorie verwandeln können. Das kennen wir aus den Schilderungen von Bergsteigern, die, während sie mit rotierendem Körper in die Tiefe fallen, ein nie erlebtes Gefühl von Freude und Frieden empfinden.