Die Auferweckung Jesu

 

Die christliche Religion basiert auf der Glaubenswahrheit, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern dass er auferweckt wurde. Die Auferweckung ist das Grundereignis, das seine Jünger aus der Verzweiflung über die Kreuzigung zur Gewissheit führte, dass die Gemeinschaft mit Gott, die Liebe Gottes, auch über den Tod hinaus andauert.
Wenn Jesus nicht auferweckt wurde, “…dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.” wie Paulus es formuliert.
Aber schon zur Zeit von Petrus und Paulus gab es Auseinandersetzungen darüber, wer Jesus war, wie seine Botschaft zu verstehen sei. Und am Anfang stand: das Unverständnis über das Erleben mit dem Auferweckten. Jeder, der Jesus nach seinem Tod erlebte,war zunächst von Angst erfüllt. Im erstem Moment war es also kein befreiendes Erlebnis, sondern es war Angst einflößend. In der Folge wurden viele Bilder benötigt, um diese existenzielle Erfahrung auszudrücken. Maria erlebt Jesus als “Gärtner”, den Emmausjüngern erscheint er als Fremder, Thomas vertraut überhaupt nicht auf diese Berichte, bis er ihn hautnah erlebt, so wirklich, dass er seine Hände in seine Wunden legen kann…
Auch heute beschäftigen uns diese Ausdrucksformen immer noch mit der Frage: Was ist eigentlich gemeint? Was haben die Menschen damals erlebt, was können wir heute noch erleben und was ist damit gemeint? Wie verlässlich sind die Berichte?
Wenn wir heute noch um die Verständnismöglichkeiten ringen, dann sind wir in guter Gesellschaft. Jede Zeit bemüht sich, nachvollziehbare und überzeugende Antworten zu geben – und entwickelt neue Bilder. Sie sind nicht falsch und sie sind nicht allgemeingültig richtig, sie versuchen, das Unglaubliche in immer neuen Worten zu formulieren.
Im Folgenden habe ich einige Stimmen unserer Zeit zusammen gestellt, die versuchen, aus ihrer jeweiligen Sicht eine Antwort darauf zu geben, was unter “Auferweckung” zu verstehen ist. Das Verständnis geht von einem wörtlichen Verständnis bis zur Leugnen der Auferweckung.
Die Texte sollen Anstoß zum Nachdenken sein, kein fest geschriebenes Dogma vermitteln.
Die Arbeitsfragen sind entweder für die Vertiefung im Unterricht gedacht oder auch als Anregung für Klassenarbeiten.

Walter Kasper Auferweckung als Bild für die Herrschaft Gottes über Leben und Tod

Die Frage nach der Wahrheit des Glaubens bleibt auch bei Jesus letztlich offen. Menschlich gesehen ist er am Kreuz gescheitert. Wie Millionen vor ihm haben die Mächte der Lüge und der Gewalt auch ihn zur Strecke gebracht. Ist die Gestalt Jesu von Nazareth damit nicht ein Grund mehr, statt an einen letzten Sinn an die Sinnlosigkeit zu glauben?
Die Frage ist bedrängend. Jesus hat seine „Sache“ so sehr mit seiner Person identifiziert, dass seine Jünger nach seinem Tod – auch wenn sie gewollt hätten – nicht einfach „weiter machen“ konnten, indem sie seine „Sache“ weitertrugen und lebendig im Gedächtnis bewahrten. Mit Jesu Person war auch seine „Sache“ tot, war die Wahrheit seiner Botschaft grundsätzlich in Frage gestellt. Deshalb hat Paulus recht:
„Wäre Christus nicht auferweckt, so wäre unser Glaube nichtig (…).“ Auf die Frage nach der Wahrheit ihres Glaubens antwortete die Urgemeinde deshalb mit der Botschaft von der Auferweckung Jesu durch Gott. Durch diese Tat hat sich nach ihrer Überzeugung Gott selbst zu dem irdischen und gekreuzigten Jesus von Nazareth bekannt, ihn bestätigt und ihn zum Herrn der Welt eingesetzt.
Diese Antwort gibt uns heute – wenigstens auf den ersten Blick – mehr Probleme auf, als sie uns hilft. Zwar gehören die, bekannten rationalistischen Theorien – die Betrugshypothese die Scheintodhypothese, die Visionshypothese usw. – in der wissenschaftlichen Literatur mehr oder weniger der Vergangenheit an. Die Frage der Auferweckung ist deshalb heute jedoch nicht leichter geworden. An die Stelle der direkten Leugnung treten heute die verschiedensten Versuche der Interpretation. Sie wollen in jeweils verschiedener Weise die Auferweckung Jesu als bloßes Interpretament erklären, d.h. als eine Aussage, die die eigentliche gemeinte Sache in einer bestimmten Verschlüsselung interpretiert. (…)
Das alles klingt befremdend. Denn nicht die Wirklichkeit, dass Jesus im Gedächtnis seiner Jünger lebt, sondern allein, dass Gott lebt, kann Grund unseres Glaubens und unserer Hoffnung sein. Die Auferweckung Jesu ist deshalb jedoch kein objektiv und neutral feststellbares historisches Faktum. Soviel ist an den genannten Interpretationen deshalb richtig: das Wort Auferweckung ist nur ein Bild; es ist vom Aufwecken eines Schlafenden genommen und von dort auf eine völlig andere Sache übertragen worden. Der Sache nach meint „Auferweckung“ (…) nämlich eben nicht die Rückkehr ins alte Leben, sondern den Anfang eines neuen Lebens (…).
Die Wirklichkeit dieses neuen Lebens entzieht sich unserer gewöhnlichen Erfahrung. Anders als in der Bildersprache des Glaubens kann hier also gar nicht gesprochen werden.
Wenn wir die Frage der Auferstehung historisch angehen, kommen wir nicht weiter zurück als bis zu den Osterzeugnissen der ersten Jünger, die behaupteten, den auferstandenen Herrn gesehen zu haben und von ihm gesandt worden zu sein (…). Die Auferstehung selbst wird von den (…) Evangelien nirgends beischreiben. Auch über das Wie der Erscheinung des Auferstandenen erfahren wir nichts. Wir dürfen sie uns jedoch nicht sonderlich mirakulös vorstellen. Das liefe nämlich grotesker Weise darauf hinaus, dass die ersten Zeugen des Osterglaubens aufgrund von „umwerfenden“ Erfahrungen selbst vom Glauben dispensiert gewesen wären. Es muss sich also um ein gläubiges Sehen gehandelt haben, um ein unmittelbares (…) und Betroffen sein durch Jesus Christus, durch welches sich der auferweckte Herr im Glauben der Jünger endgültig Geltung verschaffte. Dabei muss den Jüngern aufgegangen sein, dass die Zukunft Gottes, welche Jesus allen Menschen verheißen hat, zuerst auch von ihm gilt, dass also seine Person und sein Werk aufgrund der Treue Gottes am Kreuz nicht gescheitert ist, sondern endgültig Zukunft besitzt und Zukunft ermöglicht. Das Entscheidende am Osterglauben ist deshalb, dass endgültig offenbar wird, wer Gott ist: derjenige, dessen Macht Leben und Tod umgreift (…). In der Auferweckung Jesu hat Gott sich selbst letztgültig definiert und sein Gottsein offenbar gemacht. Er ist der Gott, welcher die Toten lebendig macht. Bei ihm ist Hoffnung gegen alle Hoffnung möglich (…).
(aus: Walter Kasper, Jesus, der Christus, Mainz 6 1977)

Eugen Drewermann: Auferstehung als Bild

Er will die Bibel nicht wort-wörtlich nehmen, sondern die Geschichten — auch die Auferstehung Jesu – als Gleichnisse verstehen.
„Freilich, wer das Schicksal JESU betrachtet, dem stellt sich unausweichlich die Frage, was er nun glauben soll: dass es möglich war, JESUS zu töten und damit seine ganze Botschaft als irrig zu erweisen, oder umgekehrt: dass gerade der Tod JESU zeigt, dass seine Person und sein Wort den Menschen aller Zeiten wahres Leben bedeuten, wohingegen seine Gegner ganz offensichtlich nichts weiter zu tun vermochten, als ihn zu töten. Jeder, dem JESUS zum wahren Maßstab seines Lebens geworden ist, der sieht, bildhaft gesprochen, den Himmel offen und JESUS selber am «Richterstuhl» Gottes stehen, als den wahren «König», als den zum «Messias» «Erhobenen», als den «zum Himmel Aufgefahrenen» (Apg 7,56); der sieht sein Grab am Ostermorgen wort­wörtlich «leer», und dem zeigt er sich selbst wie den Frauen und Jüngern in Mk 16,9-14 und Lk 24 als «auferstanden»; der vernimmt Worte, wie sie der Engel am Ostermorgen an die Frauen am Grab richtete: «Gehet (geistig) nach Galiläa (zurück zu der Art von Leben, das er verkörperte); dorthin ist er euch (immer) voraus.» (Mt 28,7).
«Auferstehung» bedeutet in diesem Sinn, dass die Liebe sich «lohnt», weil der Tod niemals die Macht hat, Menschen voneinander zu trennen, die durch ihre Liebe auf immer für einander bestimmt sind.
Ein schönes Wort für diese menschheitliche Hoffnung auf Auferstehung fand vor über 3000 Jahren die Gattin des früh verstorbenen Pharao TUT-ENCH-AMUN; auf einem Skarabäus schrieb ENCHES-AN-PA-ATON die Worte: «Ich habe dich geliebt, großer TUT-ENCH-AMUN, und meine Trauer, dass du gehst, ist groß; aber vergiss, dass die Zeit Zeit ist, denn nach der Zeit sehen wir uns wieder.»

Aus:  E. Drewermann, Hat der Glaube Hoffnung?, Düsseldorf 2000, 318ff

Rudolf Bultmann: Die Gegenwart Jesu Christi in der Verkündigung (Auferstehung als Bedeutsamkeit des Kreuzes)

Bultmann unterscheidet zwischen der (z.T. überholten / entmythologisierten ) Sprachgestalt und dem tatsächlichen / wahren Sachverhalt.
Bultmann: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“
Für Bultmann galt der Grundsatz, dass der Mensch Jesus und sein reales Erdenleben für den Glauben keine Rolle spiele. Entscheidend war für ihn nur die Tatsache, dass Jesus in die Welt gekommen ist.
Rudolf Bultmann geht in seinem Text von der Behauptung aus, die Verkündigung (und das Wirken) Jesu stelle den Hörer vor die Entscheidung und eröffne dem Hörer die Möglichkeit einer neuen Existenz.
Neue Existenz kann sein: die durch den Glauben veränderte Lebenseinstellung, das veränderte Weltbild, das die zuhörende Person bekommt oder einfach der Glaube an ein Leben im Jenseits.
Bultmann beschäftigt sich mit der Frage, warum sich die apostolische Predigt nicht darauf beschränkt die Verkündigung Jesu einfach zu wiederholen, sondern den von Jesus nie verlangten Glauben an ihn als den kommenden Menschensohn fordert und warum die Christusbotschaft sogar ganz von der Wiederholung ihrer selbst absehen kann.
Weiter fragt er sich, ob das Christuskerygma nicht überflüssig geworden ist, wenn ein Historiker auf Grund seiner existentiellen Begegnung mit der Geschichte Jesu mittels ntl. Texte seine Hörer vor die Entscheidung gegenüber Jesus führen kann.

Lösungsansätze Bultmanns
Bultmann sieht die Lösung des Problems darin, „dass das Kerygma das Einmal des historischen Jesus in das Ein-für-allemal verwandelt hat“. Die Geschichte Jesu wird als das entscheidende eschatologische Ereignis verstanden, das als solches nie zu einem bloß vergangenem werden kann, sondern präsent bleibt und zwar in der Verkündigung
Weiter versucht der Autor sein Verständnis der Auferstehung darzulegen, indem er annimmt, dass die bloße Wiederholung der Verkündigung Jesu die Vergangenheit so präsent macht, dass sie den Hörer vor die Entscheidung (s.o.) stellt. Dann muss Jesus in der Verkündigung präsent. sein.
Daraus folgert er: Da Jesus im Kerygma präsent ist, tritt es an die Stelle des historischen Jesus.
Sein Verständnis der Auferstehung: Jesus ist auferstanden. Nicht in einer physischen Form, sondern in irgend einer geistlichen, göttlichen, nicht greifbaren, aber doch präsenten Form.
Die historische Verkündigung verliert deshalb an Gewicht, weil Jesus in der gegenwärtigen präsent ist, und sich zeitgemäß progressiv den jeweiligen Umständen anpasst (besser sich vergegenwärtigt).
Jesus spricht also durch denjenigen, der das Kerygma verkündet (z.B. der Prediger ist das Medium dessen sich Jesus bedient)
Bultmann ist der Ansicht, dass es keinen Glauben an Christus gibt, der nicht zugleich Glaube an die Kirche als Trägerin des Kerygmas ist. Und der Glaube an die Kirche ist der Glaube an den Jesus Christus. den der historische Jesus nicht gefordert hat.
„Jesus ist ins Kerygma auferstanden“ ist die Erklärung der Auferstehung, die Rudolf Bullmann gibt. Dies besagt, dass Jesus im Kerygma wirklich gegenwärtig ist, dass es sein Wort ist, das den Hörer im Kerygma trifft. Und er setzt voraus, dass das Kerygma selbst eschatologisches Geschehen ist. Das hat zur Folge, so schreibt er, dass alle Spekulationen über die Seinsweise des Auferstandenen, alle Erzählungen vom leeren Grab und alle Osterlegenden, welche Momente an historischen Fakten sie auch enthalten mögen, und so wahr sie in ihrem symbolischen Gehalt sein mögen, gleichgültig sind.
Die Schlussfolgerung, die Bultmann zieht ist: An den im Kerygma präsenten Christus glauben ist der Sinn des Osterglaubens.
Christus begegnet uns im Wort der Verkündigung und ist nur dort gegenwärtig. Auferstehung ins Kerygma. Damit werden alle Jenseitsspekulationen gegenstandslos. Aber es ist sein Wort, welches uns da begegnet. Also ist nicht der historische Jesus, sondern der gepredigte Christus der Herr.
Wichtig in seinem Werk ist das Stichwort „erledigt“:
Höllen und Himmelfahrt; Geister- und Dämonenglaube; Apokalyptik; Tod als Strafe für die Sünde, verursacht durch einen Ahnherrn; Parusie; Lehre von der stellvertretenden Genugtuung durch das Sterben Christi, Auferstehung Christi, an der man durch die Sakramente Anteil hat.

Willi Marxsen: Auferweckung als zeitbedingtes Interpretament für „Die Sache Jesu geht weiter“

Man sollte die Auferstehung Jesu nicht mit der Auferweckung der Toten durch Jesus (die Jesus wieder ins Leben zurückgeholt hat) gleichsetzen, da die von Jesus Auferweckten nur kurzfristig ins Leben zurückgeholt wurden und später auch wieder starben. Jesus jedoch ist auferstanden und hat damit ‚durch die Kraft Gottes, das ewige Leben bekommen.

•       Die Auferstehung als kerygmatisches Ereignis darf nicht fälschlich als historisch gesicherte Tatsache angesehen werden. Dies ist aber auch nicht als gravierend anzusehen, da ein kerygmatisches Ereignis als solches auch nicht historisch belegt sein muss, sondern auch kerygmatisch verstanden werden muss.
•       Zunächst geht er von dem aus, was man mit großer Sicherheit weiß. Das ist, wie es Marxsen ausdrückt: „…dass Zeugen ein Sehen des Gekreuzigten widerfuhr“. (d.h. Zeugen behaupten Jesus nach seinem Tod gesehen zu haben.) Welcher Art dieses Widerfahrnis jedoch war, beschreibt er nicht.
•       Aus diesem Widerfahrnis, so Marxsen, haben die Zeugen interpretiert, dass Jesus auferstanden ist.
•       Aus heutiger Sicht kann man seiner Meinung nach nicht mehr von dem Ereignis der Auferstehung reden. Es handelt sich um ein Interpretament, dessen sich diejenigen bedienten, die ihr Widerfahrnis als Auferstehung interpretierten.
•       Nach Marxsen muss dieses Widerfahrnis des Sehens nicht unbedingt real gewesen sein. Es könnte auch eine Art Vision gewesen sein.
•       Das würde auch erklären, warum der auferstandene Jesus nur ausgewählten Personen Erscheinen ist – nur denen, die nicht glaubten, dass die Vision nur Einbildung war (das wäre auch unwahrscheinlich, da viele gleichzeitig ähnliche Visionen hatte- z.B. Evangelisten; Paulus ‘Damaskuserlebnis), sondern durchaus etwas Übernatürliches.
•       Es ist nicht möglich die Frage, ob Jesus auferstanden ist – in welcher Form auch immer – mit ja oder nein zu beantworten – es lässt sich nicht feststellen.
•       Marxsen spricht anstelle von Auferstehung vom Weiterbringen der Sache Jesu. Diese durch Zeugen weitergebrachte Sache tritt an die Stelle Jesu.
•       Diese Zeugen verbreiten ihr (von ihnen selbst für wahr empfundenes) Widerfahrnis. Sie nehmen die Funktion von Jesus ein.

Das ist der Unterschied zwischen den Ansichten Marxsens und Bultmanns. Bei Bultmann steht das Kerygma an Stelle von Jesus. In diesem Kerygma ist Jesus aber wirklich präsent und kann durch Veränderungen bewirken (sich jeweils passend neu ereignen). Bei Marxsen hingegen lebt Jesus nur noch in Erinnerung. Er ist nicht präsent in der Sache. Veränderungen treten nur durch das Wirken der Menschen ein, die die Sache Jesu weiter bringen und immer wieder neu interpretieren.

•       Die Auferstehung ist nicht wörtlich zu verstehen, sondern bedeutet im übertragenen Sinn, dass die Sache Jesu, seine Anliegen weitergehen. Für Marxsen ist es nicht entscheidend, dass Jesus auferstanden ist. Das Wichtige ist sein (historisches) Reden, sein Tun. Dies muss weitergehen zum Wohl der Menschen.
•       Er beschreibt die Bedeutung Jesu und seine Auferstehung (wenn man überhaupt von Auferstehung reden kann) wie folgt:
„Jesus wurde in seinem irdischen Wirken als Antizipation des Eschaton erfahren, als Erscheinung  Gottes. Diese – an ihn gebundene – Erscheinung Gottes, die mit seinem Tode eigentlich vorbei war, wurde durch das Widerfahrnis des Sehens neu ausgelöst“.

Nach Marxsen ist Jesus heute nicht mehr präsent. Das ist aber nicht schlimm; wichtiger nämlich ist es, dass sein Vermächtnis, die Sache Jesu – also das, was er vorgelebt hat — weiter verkündet und immer wieder neu ausgelegt wird. Man kann also nach Marxsen an die Auferstehung Jesu im übertragenen Sinne glauben, auch wenn man nicht an die Auferstehung Jesu (als Person) glaubt. Dies ist so zu verstehen, dass der Geist Jesu weitergegeben wurde und somit der Charakter und die Lehre Jesu weiterlebt (auferstanden ist), was das Entscheidende (im kerygmatischen Sinne) ist.

Jürgen Moltmann: Auferweckung als ein antizipierendes Sehen des die Welt verändernden Gottes auf dem Angesicht des Gekreuzigten

Im Osterkerygma wird der Osterglaube stets mit einem „Sehen“ begründet. Verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten für „sehen“: Christus erschien, ließ sich sehen oder passivisch: Gott hat ihn sehen lassen ( atl. Offenbarungsformel). Gott enthüllt etwas, was nach den Erkenntnisbedingungen der gegenwärtigen Bedingungen unerkennbar ist.
Die Erscheinungen des Auferweckten beziehen sich antizipierend ausschließlich auf die eschatologischen „Geheimnisse“, d.h. auf die Zukunft Gottes und die Gerechtigkeit seines Reichs. Damit verbunden ist (schon seit atl. Zeit) die Berufung (als Prophet bzw. Apostel).
Die Erscheinungen waren nicht Visionen, mystische Entrückungen in eine andere, jenseitige Welt, sondern „ein Sehen des Vorscheins des kommenden Gottes auf dem Angesicht des Gekreuzigten und also ein Ergriffensein von der kommenden Weltveränderung durch Gottes Herrlichkeit“. Sie sahen Jesus in der Herrlichkeit des kommenden Gottes und die Herrlichkeit des kommenden Gottes in Jesus.
Der Sinn des Osterglaubens liegt darin, dass die Augenzeugen den irdischen, gekreuzigten und vergangenen Jesus in der Herrlichkeit des kommenden Gottes wahrgenommen und daraus in Berufungserfahrung und Sendung die Konsequenzen gezogen haben. Das bedeutet, dass Jesus in die Zukunft Gottes hinein auferweckt ist und als gegenwärtiger Repräsentant dieser Zukunft Gottes, des freien, neuen Menschen und der neuen Schöpfung, gesehen und geglaubt wurde. Er ist dann nicht in den Himmel hinein auferweckt und in diesem Sinne verewigt oder vergöttert worden. Er ist auch nicht ins Kerygma hinein auferweckt oder in den Glauben hinein auferstanden (gegen Bultmann), denn Kerygma und Glauben verstehen sich ja selbst eschatologisch als Verheißung und Hoffnung auf Kommendes.
Die Herrlichkeit des kommenden Gottes ist an dem in Ohnmacht und Schande gekreuzigten Jesus offenbar geworden.
Auferweckung von den Toten schließt jeden Gedanken an eine Wiederbelebung des toten Jesus aus, mit der sein Tod rückgängig gemacht wurde. „Auferweckung von den Toten“ ist ein Symbol, das für ein „qualitativ neues Leben“ steht, das den Tod nicht mehr kennt. D.h. Auferweckung ist mit der Vernichtung der Todesmacht selbst verbunden.
(aus: Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie, S. 153 ff.)

Gerd Lüdemann: Das Grab war voll (Osterglaube ohne Auferstehung)

Lüdemann (Religionswissenschaftler) ist der Überzeugung, dass Jesus “im Grab verwest“ ist. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover ahndete diesen Glauben mit dem Entzug der Prüfungsberechtigung.
“Wir können heute die Aussagen über die Auferstehung Jesu,“ so Lüdemann, “nicht mehr wörtlich nehmen. Sicher ist allerdings, dass die Menschen damals ‘wörtlich‘ an die Auferstehung geglaubt haben. Das kann und darf man nicht relativieren. Aber durch nichts ist deshalb der Schluss begründet, also müsse man auch heute an die ‘blutige‘ Wirklichkeit der Auferstehung glauben aus der Tatsache, dass die urchristliche Religion früher einmal mit dem Glauben an die Wiederbelebung des Leichnams Jesu verbunden (war), kann man nicht unbedingt folgern, dass wir auch heute, wenn wir richtige Christen sein wollen, an diese Wiederbelebung des Leichnams glauben müssen. Es war keine historische Tatsache, sondern ein Glaubensurteil.“
Für Lüdemann resultiert der urchristliche (Glauben) aus der damaligen Interpretation eines Geschehens vor dem Hintergrund des damaligen Weltbildes: “Heute interpretieren wir dasselbe Geschehen anders, nämlich im Rahmen der heutigen Möglichkeiten.“ Mit der veränderten Interpretation ändere sich zwangsläufig auch die äußere Form des Glaubens, denn die Zukunft werde die Ereignisse wieder anders interpretieren. Der Kern des Glaubens bleibe dabei unveränderlich. Obwohl daraus konkret folge, das Grab Jesu könne nicht leer gewesen sein, sondern voll, und sein Leichnam sei nicht, entwichen, sondern verwest, bedeute das nicht des Ende des Christentums, denn Wort und Geschichte Jesu bargen alle Wesensmerkmale des ältesten Auferstehungsglaubens bereits ist sich. Schon die frühen Zeugen hätten, durch das Kreuz geläutert, nur in einer anderen Sprache das Gleiche gesagt wie Jesus. Aber: Wie solle man es mit dem wichtigsten Gedanken des Glaubens, der Hoffnung auf die Auferstehung, wie mit der eigenen Zukunft, mit seinem eigenen Tod halten? “Ich glaube, dass die im Glauben erfahrene Einheit mit Gott über den Tod hinaus anhält. Sie vollendet sich noch in der Nacht des Todes, darüber hinaus nach Ereignissen im Jenseits zu fragen, macht keinen Sinn.“

Hansjürgen Verweyen: Ostern am Kreuz (Überwindung des Todes in der Selbsthingabe Jesu)

Es ist zu unterscheiden zwischen dem physischen Tod und dem Tod als Trennung von Gott. Bei Verweyen stirbt Jesus nur den physischen Tod. Den eigentlichen Tod, die Trennung von Gott, kann er, der Gottes Selbstmitteilung ist, nicht sterben. Denn wenn Jesus das Mensch gewordene Wort Gottes ist, kann Jesu Menschsein, nicht im Tod plötzlich aufhören oder erst bei der Auferweckung gewährt werden.
Die Selbstmitteilung Gottes besteht in der unbedingten Liebe, und dies nicht erst nach Golgatha, sondern von Beginn des Lebens Jesu an. Im Kreuz wird die radikale Konsequenz seiner Selbsthingabe sichtbar, die bereits in Jesu Leben und Verkündigung deutlich wird.
Gottes Allmacht besteht darin, die Freiheit des Menschen ohne Abstriche zu respektieren. Er kann daher nicht Jesus vom Kreuz holen, ohne die Freiheit der Henker und die Freiheit des Subjekts Jesus zu verletzen.
Die Bedeutung der nachösterlichen Erscheinungen Jesu:
Unterscheidung der vorösterlich in der Person Jesu ansichtig gewordenen Liebe, die durch das Kreuz nicht widerlegt, sondern bis in die letzte Konsequenz vollzogen wird und dem Glaubensanstoß durch die nachösterlichen Erscheinungen.

Christologisch entscheidende Frage:
Lässt sich Jesus als der Christus prinzipiell bereits in seinem Leben vor Ostern erkennen oder erst nach Ostern? Wo hat sich Gott den Menschen letztgültig offenbart: in Betlehem oder auf Golgatha?

Hans Kessler: Auferweckung als unvermitteltes Handeln Gottes am toten Jesus
(Gott als allein Handelnder, ohne Mitwirkung Jesu an der Auferstehung)

Die Auferweckung Jesu ist keine historisch beweisbare Tatsache, sondern eine nur im Glauben erfassbare Wirklichkeit (Mysterium). Da sie nicht Rückkehr unter empirisch prüfbare Daseinsformen ist, sondern Übergang in die uns verborgene eschatologische Daseinsform bei Gott, gibt es keine unmittelbare Zeugen des Auferstehungsvorgangs. Historisch gesehen ist das äußerste Faktum die von den Jüngern behaupteten Erscheinungen des Auferstandenen.
Die Entstehung des Osterglaubens lässt sich indirekt an der Wende des Jüngerverhaltens ablesen. (zunächst Flucht und Rückkehr nach Galiläa, dann Rückkehr nach Jerusalem, Behauptung der Auferweckung und stürmische Mission). Es muss „etwas“ eingetreten sein, das als so umwälzend gedacht werden muss, dass es die Wende im Jüngerverhalten erklären kann. Ursprünglicher Inhalt der Ostererfahrung ist den ältesten biblischen Quellen zufolge Jesu Erscheinen aus der Macht Gottes heraus.
Die Wende beschränkt sich nicht auf das, was in und mit den Jüngern vor sich ging; ihr Kern und Grund ist das, was mit unbezweifelbarer Klarheit für alle Beteiligten an und mit Jesus geschehen ist: die endgültige Selbstoffenbarung Gottes im neuen gegenwärtigen Jesus in die Erfahrung der Jünger hinein. Dieser Sachverhalt muss für die Jünger so eindeutig und offensichtlich gewesen sein, dass das als Auferstehung gedeutete mithin kein anonymes, inhaltsleeres oder unklares „Widerfahrnis“ erst noch der nachträglichen Deutung bedurft hätte. (gegen Marxsen)

Jesu gesamtes Menschsein ist die endgültige und erschöpfende Selbstaussage Gottes in die Geschichte hinein. Das Kreuz ist die radikale Infragestellung des Anspruchs Jesu, reale Ankunft Gottes in Welt und Geschichte zu sein. — Es ist zu unterscheiden zwischen dem physischen Tod und dem biblisch bezeugten Tod als der Trennung von Gott. Bei Kessler stirbt Jesus „beide Tode“ (im Gegensatz zu Verweyen). Jesus ist am Kreuz im Bewusstsein seiner kreatürlichen Begrenztheit und Handlungsunfähigkeit angesichts des Todes ohne Halt und ohne jeden Vorbehalt, jedoch vertrauend und hoffend auf endgültige Annahme und Auferstehung in den Tod gegangen.
„Jesu Bedeutung und Botschaft kann nach seinem Tod ohne ihn nicht mit Grund festgehalten werden. Denn wenn Gottes eschatologische Herrschaft an die personale Gegenwart Jesu geknüpft ist, dann ist sie durch Jesu Vernichtung mit zunichte geworden.“
Daher ist die Auferweckung Jesu nur zu verstehen als streng von außen kommendes, der Komponente menschlichen Mit-Tuns entbehrendes, exklusives Vollendungshandeln Gottes am Toten.
Hier fehlt jede Komponente menschlichen Tuns. Jesu Auferweckung ist exklusiv Gottes alleinige
Entscheidung und Tat. Sie ist die nachträgliche (!) Bestätigung, Vollendung und Erfüllung von
Jesu menschlicher Existenz und Erweis ihrer Heilsbedeutung.
Für den (Oster-) glauben ist daher der irdische Jesus gewiss notwendiger, aber nicht zureichender Grund. Zureichender Grund wird der irdische (und gekreuzigte) Jesus erst als der Auferstandene und im Geist neu Gegenwärtige.“
Kritik Verweyens: Kesslers Annahmen setzt die völlige Ohnmacht Jesu im Angesicht seines Todes voraus, weswegen er zwar hoffend — was seine eigenen menschlichen Möglichkeiten betrifft — unvermögend in Gott hineinstirbt. Vor diesem Hintergrund muss Jesus auf eine Bestätigung seines Lebens durch Gott warten, bedarf er der nachträglichen Legitimation. Es bleibt in seinem Leben etwas Vorläufiges, etwas „Noch-zu-Bestätigendes“. Wenn Jesu Menschsein Gottes Selbstoffenbarung für die Welt ist, kann das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus erst mit dem Erweis dieser Identifikation Gottes mit Jesus in der Auferweckung verantwortet werden.

Aufgaben:
Fasse die unterschiedlichen Auffassungen in eigenen Worten zusammen und erläutere sie.
Welche Ausführung stellt die christliche Vorstellung von “Auferweckung” am besten wieder?
Welchem Verständnis könntest du zustimmen? Warum?