Nachdenken über Jesus aus Nazareth, den man den Christus nennt

Jesus aus Nazareth ist eine der faszinierendsten Gestalten der Weltgeschichte – gleichgültig, welcher Religion jemand angehört.
In den Kirchen wird aber oft lediglich von einer bestimmten Jesusvorstellung ausgegangen, in der Jesus als der auferweckte Sohn Gottes erscheint,  andere Bilder werden vernachlässigt oder übergangen.
Für viele Menschen ist aber die Distanz zu diesem Jesus zu groß und sie können sich kein Bild vom Menschen Jesus machen. Jesus, dieser Mann aus Nazareth, diese geschichtliche Gestalt, die vor ca. 2000 Jahren gelebt hat. Wer war er?
Im Studium mussten wir uns lang genug mit den sehr verschiedenen Jesusbildern herumplagen und haben sehr diffiziele und kontroverse theologische Duiskussionen kennen gelernt. Mich hat aber immer die Frage beschäftigt, wer dieser Mensch war, von dem später behauptet wurde, er sei nicht im Tod geblieben, sondern auferweckt worden und deshalb der Sohn Gottes. In diesen Formulierungen stecken so viele theologische Analysen, dass der Mensch Jesus kaum noch zu erkennen ist.
Daher hat mich schon immer die Frage beschäftigt, wie wohl eine historische Darstellung des Lebens Jesu aussehen müsste. Einen ersten und sehr wichtigen Anstoß bekam ich durch das dünne Buch von
Gerhard Lohfink: Der letzte Tag Jesu und durch die ausgezeichnete Darstellung von
Gerhard Prause in: Die kleine Welt des Jesus Christus.
Diese beiden Ausarbeitungen brachten für mich auf den historischen Punkt, was in zwanzig anderen theologischen Jesusbüchern ausgelegt wurde.
Mich faszinierte der Gedanke, diesen Ansatz in einer szenischen und spielerischen Zusammenschau auszuarbeiten. Dabei war mir klar, dass in einer Passionsgeschichte, die ich inszenieren würde, der Mann aus Nazareth kaum in Erscheinung treten würde. Denn letztlich ging es bei dem Prozess gegen Jesus gar nicht um den Angeklagten. Er war vielmehr in die Mühlsteine eines größeren Machtkampfes zwischen dem römischen Statthaltern und der jüdischen Führung geraten. Er wurde hingerichtet, weil beide Seiten sich bekämpften und Macht demonstrieren wollten.
Das ist übrigens ein sehr aktuelles Thema – wir erleben solche Machtkämpfe mit unschuldigen Opfern täglich und überall auf der Welt.
Aus diesem Ansatz ist ein neus Jesus-Buch entstanden, das ich zunächst Stück für Stück im Internet veröffentlichen werde.
Jugendliche haben sich immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt. “Wer war schuld an Jesu Tod?” Ich habe sie ermutigt, ihre Fantasie spielen zu lassen und aus den unterschiedlichsten Perspektiven das Leben und den Tod Jesu zu reflektieren. Herausgekommen sind dabei ganz unterschiedliche Geschichten und Erzählungen; teils witzig, teils skurril, teils um Historizität bemüht. Mit dem Einverständnis dieser Jugendlichen habe ich den Sammelband erstellt, den ich hier in Auszügen vorstellen will.
Jeden Monat werde ich Teile eines Kapitels vorstellen, so dass im Laufe der Zeit ein Gesamtbild entstehen kann.
Sollte die Sammlung im Buchhandel erscheint, werde ich es auf dieser Seite anmerken.
Wenn in den einzelnen Darstellungen unterschiedliche Akzente gesetzt werden, so liegt das in der Natur der Sache, dass sich verschiedene Menschen um die Darstellung eines sehr umfangreichen Sachverhaltes bemühen. Es sollte nur niemand vorschnell urteilen und aus einzelnen Abschnitten das Gesamte bewerten wollen. Teilweise werden die religiösen Interpretationen und ÜÜberzeugungen bewusst ausgelassen, um einen historischen Zugang zu erleichtern, teilweise wird mit großer Symbolkraft genau diese religiöse Dimension ausgeführt.
Viel Spaß beim Lesen und auch hier bin ich für jede Rückmeldung dankbar, denn: an der Sammlung soll weiter gearbeitet werden.
Hier folgt zunächst aber noch eine Zusammenstellung zum historischen Hintergrund des Jesus aus Nazareth:

DER HISTORISCHE JESUS

Die Evangelien des Neuen Testamentes können wir bei der Frage nach dem historischen Jesus  nur bedingt zu Rate ziehen. Sie wurden erst geschrieben, als Jesus schon tot war, allerdings
unmittelbar danach. Das älteste der Evangelien (Markus) wurde vor dem Jahr 70n. Chr. geschrieben,
also nur 40 Jahre nach Jesu Tod. Das Johannes-Evangelium wurde um 100 n. Chr. geschrieben. Die Autoren waren also zeitlich noch relativ dicht an den Ereignissen. Schwierigkeiten bereitet aber die Tatsache. dass diese Autoren keine neutralen Geschichtsschreiber waren und sein wollten. Sie waren
Gläubige. die seine Lehre von der Auferstehung, der Sündenvergebung und der Nächstenliebe verbreiten wollten. Dennoch: auch die Schriften des Neuen Testamentes liefern bei kritischer Lesart einiges an historischen Informationen.
Was also weiß man heute über den historischen Jesus?
Der Ort Bethlehem könnte eine Glaubensaussage sein, denn im alten Testament wird verheißen, dass der Messias dort geboren werden würde.
Nazareth als Wohnort gilt hingegen als sehr wahrscheinlich: Dieses “Nest‘ war so unbedeutend, dass wohl niemand auf die Idee gekommen wäre,  es als Wohnort  für ihn auszuwählen.
Jesus war Jude und hat sich als Jude verstanden. Er wollte das Judentum nicht abschaffen, sondern den wahren jüdischen Glauben lehren. Er schloss sich zunächst der Bewegung Johannes des Täufers an, seinem Cousin, die sich um das Jahr 20 n. Chr. entwickelt hatte. Dieser predigte das Kommen des Messias und die Notwendigkeit der Umkehr. Johannes hat Jesus getauft und möglicherweise hatte Jesus dabei ein Erlebnis, das ihn zu seiner Predigertätigkeit veranlasste.
Jesus predigte vom angebrochenen Reich Gottes. Er nahm an, dass das Ende der Welt nahe sei. Dies war für Jesus aber kein Grund zur Trauer! Im Gegenteil: Er musste sich wegen seiner
Lebensfreude sogar den Vorwurf. ein “Fresser und Säufer“ zu sein, gefallen lassen. Er erzählte den Menschen vom gütigen Gott, der verzeiht und sich über jeden Menschen freut, der zu ihm findet. Wenn sein Reich anbricht, so sagte er, dann wird es auch zum Wohl der Menschen sein.
Dadurch unterschied sich Jesus von den vielen anderen Predigern im Lande, die in dem 35 Untergang der Welt nur das Strafgericht Gottes sahen und somit den Menschen Angst machten.
Angst hatten die Menschen von damals in Palästina aber sowieso genug! Ihr Leben war hart. Sie wurden von der römischen Besatzungsmacht ausgebeutet und lebten zum größten Teil in bitterer Armut. Das jüdische Reich war politisch unbedeutend, und es war niemand in Sicht, der den Menschen Mut gemacht hätte. So sahen viele in dem Kommen des Messias einen neuen König der Juden, der den Staat Israel zu neuer Macht und Größe verhelfen würde. Statt dessen kam ein Messias, der Kontakt zu verachteten Menschen aufnahm: zu Prostituierten, Zöllnern (diese arbeitete mit den römischen Besatzern zusammen) und Aussätzigen.
Übrigens sind viele Krankenheilungen als historisch zu betrachten: Er wird deshalb in Mk3,22 verdächtigt, mit dem Teufel im Bund zu stehen. Dies hätte sicher kein Evangelist erfunden! Auf jeden Fall war Jesus eine Person, die vielen der damaligen Menschen neue Hoffnung gegeben hat. Sie haben erkannt, das nicht die weltlichen Dinge wirklich zählen. Das Reich Gottes hatte begonnen. und es sollte ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens werden. Jesus hatte gezeigt, dass das jüdische Gesetz zwar richtig, die Nächstenliebe aber wichtiger war. Es gibt eben kein
Gesetz ohne Ausnahmen. Und deshalb musste er den Tod am Kreuz ertragen. Denn in den Augen vieler Frommer war er eine Gefahr für den rechten Glauben.

Aufgaben zur Reflexion und Vertiefung:

1. Warum hat es wahrscheinlich so viele Prediger gegeben, die den Weltuntergang voraussagten?
2. Wie kommt man dazu, einige biblische Aussagen als historisch (Heilungen), andere als Erfindung (Geburt in Bethlehem) anzusehen?
3. Welche Religionszugehörigkeit hatte Jesus v. Nazareth?
4. Was unterschied ihn von anderen Predigern?
5. Gibt es eine Erklärung für merkwürdiger Wunderheilungen?